Teuflisches Genie

Catherine Jinks eigenwilliger Held zwischen Coming of age und Weltherrschaft

Ich schätze es ist nicht leicht, über eine Figur zu schreiben, die man als Genie charakterisiert, wo man doch selbst gar kein Genie ist. Das unterstelle ich der Autorin Catherine Jinks zumindest einfach mal. Schließlich muss man sich in so eine Figur hineindenken und sich genie-typische abstruse Interessen und Spleens einfallen lassen. Ein Buch lässt seinen Rezeptor intensiv in die Psyche einer Figur eintauchen - darum befürchtete ich, dass die geistige Diskrepanz zwischen der normal intelligenten Autorin und dem fiktiven Genie zu offensichtlich wird.

Bei Jinks und ihrer Figur Cadel Piggott schien es so zu sein. Cadel wird als einzigartig intelligentes Genie beschrieben, ein computerhistorische Fachliteratur lesender, Sicherheitssysteme knackender Siebenjähriger, dem Jinks das Aussehen von Elijah Wood verliehen hat (sie bedankt sich für die visuelle Inspiration).

Cadel gerät in die Obhut des seltsamen Psychologen Thaddeus Roth, der sich bald als »rechte Hand« des (wahnsinnigen?) Genies Phineas Darkkon vorstellt, welcher wiederum Cadels leiblicher Vater sein soll. Der schnelle Einstieg ins Geschehen entpuppt sich als Vorwand, ein ausführliches Psychogramm über Cadel zu erstellen - dazu eignet sich die Psychologenfigur ideal. Der Leser lernt Cadel kennen und sieht ihn - unter ständiger Manipulation, die er lange nicht wahrnimmt - zu einem 14jährigen heranwachsen, der sämtliche Schulklassen überspringt und sich, ganz wie vom Vater geplant, in das Axis Institut einschreibt, um dort hintergründig die Kunst der Ergreifung Weltherrschaft zu erlernen.

Die verwendete Sprache ist sehr einfach, was das Buch auch an ablenkungsstarken Orten wie der Straßenbahn lesbar macht. Die Autorin erklärt jede Regung und Wendung und nutzt sehr simple Vergleiche (»Er blinzelte nicht einmal [...] - wie eine Katze, die mit dem Schwanz zuckte«) und verlangt von ihrem Leser gar nicht, dass er Sätze wie »DNS leitet nicht gut. Außer, wenn sie als Substrat für galvanisierte Metalle eingesetzt wird« versteht - im Gegenteil: solch eingestreutes Fachwissen soll nur die Charakterzeichnung des hochgebildeten Kindes festigen. Eine wenig elegante Art, die intellektuelle Diskrepanz zu ihrer Figur zu überbrücken - was wiederum wett gemacht wird durch einen humorvollen, ironischen Umgang mit ihrem Genie.

Das Interesse an der Entwicklung dieser ungewöhnlichen Figur war Grund genug weiter zu lesen, solange bis die Geschichte selbst auch den gewissen Kick bekam. Die dunkle Ahnung, dass das Buch vor allem »herrlich abstrus« sein möchte aber irgendwie klamottig ist, hat sich schließlich als unbegründet, oder zumindest nebensächlich erwiesen. Dass mehr Fragen offen bleiben als beantwortet werden, ist dem Umstand geschuldet, dass der Leser mit diesem Buch den ersten Teil einer mehrbändigen Serie in der Hand hält (Fortgesetzt mit Teuflisches Team).

Die Australierin Catherine Jinks ist bisher vor allem mit historischen Romanen auf dem deutschen Buchmarkt vertreten, die in ihrer genretypischen Gestaltung im Buchladen nicht ins Auge stechen. Ganz anders dieses Buch: es wird sicherlich alleine wegen seines seltsamen Aussehens von vielen in die Hand genommen, das flippige schwarz-pinke Totenkopfdurcheinander fällt auf. Das Weiß hat einen gelblichen Stich, wie diese Leuchtsticker, weshalb ich erst vermutete, dass das Buch im Dunkeln leuchtet (tut es nicht). Und zu guter Letzt der pechschwarze Seitenschnitt, als habe ihn jemand mit einem Pinsel und schwarzer Wasserfarbe angemalt. So ist auch die Konsistenz: es knackt beim Umblättern, weil die Farbe auseinanderbricht, auf den Fingerkuppen hinterlässt es ein unangenehm sprödes Gefühl und beim ersten raschen Durchblättern flogen mir kleine schwarze Partikel in Mund und Augen. Zweifellos ein Buch, das einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Teuflisches Genie
Veröffentlicht:
Medium:
Buch
Autor:
Catherine Jinks
Verlag:
Knaur
Kommentar:
Seltsam, und gerade deshalb lesenswert
ISBN:
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Gemacht mit

corazon

von Lene Saile